Zuflucht und Zugehörigkeit: Die Entwicklung des Flüchtlingsschutzes in der Bundesrepublik Deutschland

Principal investigator J. Olaf Kleist (Principal Investigator)
Description
Es wird kaum thematisiert, auch nicht in gegenwärtigen Debatten um die Einwanderungsgesellschaft, dass die Bundesrepublik Deutschland eines der wichtigsten Asylländer ist und schon immer Zwangsmigranten aus verschiedenen Gründen aufnahm. Sie bot Zuflucht für deutsche Vertriebene, für Asylsuchende, für umgesiedelte Flüchtlinge aus aller Welt und für solche, die vor Krieg oder aus anderer Not flohen. Zugleich war der Zugang zu Flüchtlingsschutz immer höchst selektiv. Die Begründungen aufgrund derer Zuflucht in der Bundesrepublik gewährt wurde, waren politisch umkämpft und verschoben sich von einem zivil-politischen zu einem kulturell-nationalen Modell und zurück. Dieses Forschungsprojekt untersucht die Geschichte der Zuflucht in der Bundesrepublik und die Veränderungen in politischen Debatten über Flüchtlinge. Sowohl das Thema als auch die angewendeten Konzepte sind dabei innovativ. Sie beziehen sich auf Modelle politischer Zugehörigkeit und Erinnerung, wodurch sie nicht nur die Geschichte und Theorie von Zuflucht sondern auch die politische Kultur des Aufnahmelandes in ein neues Licht rücken. Das Projekt basiert auf einem Konzept von Zuflucht als souveräner Zugehörigkeit für Ausländer. Das Privileg von Schutz wird gewährt auf Grundlage politisch umkämpfter Vorstellungen von Zugehörigkeit in zivilen oder kulturellen Begrifflichkeiten. Unter diesem Aspekt werden in dem Projekt politische Debatten zu sechs zentralen Momenten des Flüchtlingsschutzes in der Bundesrepublik genaustens, und manche erstmalig, untersucht: die Institutionalisierung politischen Asyls im Grundgesetz 1949; die Aufnahme tschechoslowakischer politisch Verfolgter 1968-69; die Verschiebung von ziviler zu kultureller Wahrnehmung von Zuflucht in der Umsiedlung von indo-chinesischen Flüchtlingen 1975-82; der Asylkompromiss 1992-93 und die vorausgehenden Debatten um nationale Zugehörigkeit; die Aufnahme von Zwangsmigranten aus dem Kosovo 1999-2000; und die Rückkehr zu zivilen Vorstellungen in der Entwicklung eines europäischen Asylsystems seit 2003. Presse, parlamentarische Debatten und Diskussionen im Bundeskabinett sind dabei Gegenstand der Analyse. Die Untersuchung politischer Äußerungen über Zuflucht trägt so zum Verständnis der historischen Entwicklung von Zugehörigkeit bei. Um Vorstellungen von Zugehörigkeit aus politischen Argumenten herauszuarbeiten, wird ein besonderes Augenmerk auf die Verwendung von Erinnerungen gelegt und wie in jenen Beziehungen zwischen deutscher Zugehörigkeit und denen die Schutz suchen konstruiert werden. Die aus dem Projekt resultierende Monographie wird zum ersten Mal die Geschichte der Zuflucht in der Bundesrepublik Deutschland umfassend darstellen. Dabei ermöglicht die Studie, die am weltweit führenden Refugee Studies Centre der University of Oxford angesiedelt ist, nicht nur eine neue Perspektive auf die politische Kultur und Einwanderungsgeschichte in Deutschland, sondern trägt auch zu einem wegweisenden Verständnis von Zuflucht und Asyl bei.
Year 2014

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