Description |
Untergräbt die Massenzuwanderung von Flüchtlingen und anderen Immigranten die solidarische Grundlage des Sozialstaats? Gegen den in der gegenwärtigen Debatte vorherrschenden Krisendiskurs halten wir es für eine offene und nur historisch zu beantwortende Frage, was sozialstaatliche Solidarität bedeutet, wie weit sie reicht und für wen sie gilt. Das Projekt will aus einer zeithistorischen Perspektive klären, wie sich der bundesdeutsche Sozialstaat und das ihm zugrundeliegende Solidaritätsverständnis angesichts unterschiedlicher Migrationsbewegungen von den späten 1970er Jahren bis heute verändert hat. Dabei richtet sich der Blick besonders auf die Prägekraft zivilgesellschaftlicher Akteure und freier Wohlfahrtsverbände. Die These lautet: Es waren diese zivilgesellschaftlichen Akteure, die gegen die verbreitete Sozialstaatskrisenrhetorik die Idee sozialpolitischer Solidarität "von unten" neu und transnational zu interpretieren versuchten. Originell ist das Projekt, weil es die dominierende politik- und sozialwissenschaftliche Sozialstaatsforschung in dreierlei Hinsicht herausfordert: durch seine genuin historisch-kultur-wissenschaftliche Perspektive, durch die Frage nach der Innovationskraft zivilgesellschaftlicher Akteure im Transformationsprozess sozialstaatlicher Ordnung und durch die Verbindung von praxeologischen und diskursgeschichtlichen Zugriffsweisen. Ausgehend von der Vorstellung, dass "Solidarität" zu den entscheidenden normativen Ressourcen des Wohlfahrtsstaats gehört, akzentuiert das Projekt dabei einen Begriff, der - ebenso wie "Gerechtigkeit", "Sicherheit" und "Freiheit" - zu den zentralen Wertideen der Moderne gehört, aber bislang kaum Gegenstand historischer Forschung geworden ist.
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